Künstlerräume

Laufzeit
23.5. – 27.9.2015
Beschreibung

Georg Baselitz Dan Flavin Katharina Fritsch Katharina Grosse Ingrid Hartlieb Anselm Kiefer Jeff Koons Bruce Nauman A. R. Penck Neo Rauch Karin Sander Pia Stadtbäumer Rosemarie Trockel

Die zeitliche Spanne der gezeigten Arbeiten reicht von einem Frühwerk von Georg Baselitz – Ein Grüner zerrissen, 1968, noch nicht auf dem Kopf stehend! – bis zur jüngsten Erwerbung, einem Werkkomplex von Katharina Grosse aus dem Jahr 2013.

Aus der Sammlung heraus werden markante Stationen jüngeren und jüngsten Kunstschaffens vorgestellt, die sich anhand verschiedener Techniken und Medien ganz unterschiedlichen Themen zuwenden. Mal attackiert die Kunst das Bild der Frau, mal stellt sie existenzielle Fragen und sich selbst bisweilen in Frage. An einer Stelle geht es um die Eigenmächtigkeit der Farbe, an anderer um intuitive Erfahrungen mit Licht und Raum.

Der Betrachter wird eingebunden, angesprochen, ist gefordert. Wer sich einlässt, wird reich belohnt: In jedem Raum kann der Besucher erfahren, wie Kunst die (Selbst-)Wahrnehmung oder auch das Körpergefühl auf jeweils eigene Weise verändern, sensibilisieren und intensivieren kann. Die Staatsgalerie wünscht Ihnen dabei viel Freude und garantiert den einen oder anderen neuen Einblick!

Georg Baselitz

* 1938 in Großbaselitz

Ende der 1960er- Jahre beginnt Baselitz seine Motive buchstäblich auf den Kopf zu stellen und bekräftigt mit diesem »Bildersturz« letztlich die Autonomie des Bildes. In seiner Serie Remix (2005-2007; Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie, gespendet von der Konrad-Kohlhammer-Stiftung 2007) stellt sich der reife Künstler dem Wettbewerb mit sich selbst. Wie die berühmt-berüchtigte Große Nacht im Eimer erklärt er seine eigenen Arbeiten zu referenzpflichtigen Meilensteinen der Kunstgeschichte.

Katharina Grosse

* 1961 in Freiburg i. B.

Bei Grosse schlägt sich Farbe vom Luftballon über den Erdhaufen bis zur Leinwand nieder, kann sich in den Raum ausdehnen, wird entfesselt. Doch auch innerhalb der Leinwand stellen die Farbflächen, neue Beziehungen im (Bild-)Raum her und fordern auf diese Weise die Wahrnehmung des Betrachters heraus.

Pia Stadtbäumer

* 1959 in Münster

Stadtbäumers Thema ist der menschliche Körper und seine oft erschreckende Verfremdung. Wie in den gezeigten Plastiken werden etwa nur einzelne Extremitäten dargestellt, Mundöffnungen offenbaren ein unheimliches Innenleben. Stadtbäumers Roter Arm (1989/90) zeigt jede Ader, jede Falte und wirkt auch durch die rote Farbe ungemein präsent. Nicht bestätigt wird diese Lebendigkeit jedoch durch die Aufhängung des Arms, der wie an einem Fleischerhaken zu baumeln scheint.

Bruce Nauman

* 1941 in Fort Wayne, Indiana, USA

Naumans Werk ist multimedial, radikal und beschäftigt sich mit den Bedingungen menschlicher Existenz – vor allem mit deren Nöten. Angefangen mit seiner Serie von 11 Farbphotographien (1966-67) wird der (eigene) Körper zum Kunstwerk, immer wieder setzt Nauman sich auch mit der Mehrdeutigkeit von Sprache auseinander. Dies verdichtet sich in seinem Künstlerraum, der u.a. Sprachspiele, Hologramme und Anagramme zeigt. Welcome (Shaking Hands) illustriert, wie schnell Gesten der Verständigung in offene Aggressivität umschlagen können.

Jeff Koons

* 1955 in York, Pennsylvania, USA

Wie in Jungle (2005) widmet sich Koons häufig populären Figuren der Kunst- und Kulturgeschichte, die er den vertrauten Zusammenhängen entreißt. Denn was machen die Seepferdchen neben Nuklearprofessor Dr. Bruce Banner, der sich nach einem Laborunfall mit Gamma-Strahlen bei jeder Aufregung in das hier gezeigte grüne Wutmonster Hulk verwandelt? Es sind Schwimmtiere, die die Grenzen von Kitsch und Ästhetik im Kunstkontext erproben – und von der angedeuteten Kutsche, als historischem Motiv, wieder geerdet werden.

Dan Flavin

* 1933 in New York City, USA; † 1996 ebd.

Flavin arbeitete sowohl mit indirektem Licht, bei dem die Leuchtkörper hinter den Fassungen verborgen bleiben, als auch mit direktem Licht. Letzteres trifft auf seinen Künstlerraum zu, wo dem langen hellrosa Lichtstreifen eine erdbeerfarbene kurze Neonröhre aufsitzt. Zusammen sind sie ein rosaroter Schein, der sticht und schmeichelt, sich sanft auf den Boden wirft. Überwirklich oder gar … sakral? Nicht doch! Unübersehbar steht »Mercury Lighting Products« auf den Fassungen, reine Massenware also. »You see what you get« beschrieb Flavin so auch das Prinzip seiner Arbeiten.

Rosemarie Trockel

* 1952 in Schwerte

verschmitzt wendet sich Rosemarie Trockel Stereotypen abendländischer Weiblichkeit zu. In ihren »Strickbildern« lotet sie zudem ein Paradoxon moderner Kunst aus: Zwar zeigt das Material allein sich selbst, dennoch endet die Narration nicht am Rand des Gewebes. In einer ironischen Hommage an Niele Toroni, dessen Markenzeichen serielle Pinselstriche sind, tritt an die Stelle von Pinsel und Leinwand, dem hehren (männlichen) Kunstwerk, … ein Strickbild. Die weibliche Ästhetik persifliert die männliche buchstäblich als Masche, als Klischee.

A. R. Penck

* 1939 in Dresden 

Pencks Markenzeichen sind die markanten Strichfiguren. Immer wieder thematisiert er die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Dabei geht es ihm um die Herstellung von »Standarts«, die Schaffung einer universalen Bildsprache. Dies führt zu flächigen Bildern, die wie in Standart (1971) mit archaischen Zeichen bedeckt sind. Das Thema der (deutsch-deutschen) Teilung zeigt sich hier als körperhaft-existentielle Erfahrung.

Neo Rauch

* 1960 in Leipzig

Schon in seiner Diplomarbeit bricht Rauch eine Lanze für die figurative Malerei. Das Gemälde Ordnungshüter (2008), das den Freunden der Staatsgalerie vom Sammlerehepaar Scharpff gestiftet wurde, ist eine typische Arbeit: Eine Vielzahl von Personen agiert in einem verschachtelten Bildraum, der maßgeblich aus opaken Flächen entwickelt und von überraschenden Farbakzenten durchsetzt ist. Zwar wirken die einzelnen Figuren realistisch, glaubhaft, dennoch lässt sich die Darstellung zu keiner schlüssigen Geschichte verbinden.

Katharina Fritsch

* 1956 in Essen

Durch die serielle Anhäufung von Gleichem, irritierenden Größenverhältnissen und monochromer Farbigkeit werden vertraute Figuren surreal, befremdlich – und fragwürdig. Diesen Effekt nutzt Fritsch auch bei Warengestell mit Madonnen (1987-89), das auf die Serienproduktion der Devotionalien anspielt. Denn die aufgetürmten, gelben Madonnen sind Repliken der Statuetten, die im Wallfahrtsort Lourdes u.a. als Plastikflaschen mit Wasser vertrieben werden.

Anselm Kiefer

* 1945 in Donaueschingen

Ausgehend von den Heroischen Sinnbildern (1969) werden exemplarische Arbeiten aus den 1970er und 80er Jahren gezeigt, in denen sich Kiefer mit deutscher Geschichte, deutschen Mythen und Konzepten auseinandersetzt. Kiefer versteht sich nicht als Maler, sondern als Bildhauer und so formuliert er seine Bilder wie in Kleine Panzerfaust Deutschland II (1979) zwischen der unmittelbaren Präsenz des Mal-Materials und den mächtigen Themen, die er über den Titel aufruft.

Ingrid Hartlieb

* 1944 in Reichenberg, Tschechien

Im Hugo Borst-Raum wird mit der Schenkung der 20 Künstlerbücher Hartliebs, die in einer Auswahl gezeigt werden, eine der jüngsten Sammlungszugänge vorgestellt. Der Besucher erhält die Gelegenheit, Idee und Genese ihrer Arbeiten von 1978 bis in das Jahr 2013 wie in einem Tagebuch zu verfolgen. »Die Zeichnung ist der Idee am nächsten«, postuliert die Künstlerin, die ihre Skulpturen erst aus Baumscheiben, Kanthölzern und Reststücken zusammensetzt und anschließend mit der Kettensäge in ihre endgültige Form bringt.

Karin Sander

* 1957 in Bensberg

Sanders Wandstücke (1994-1996) ergänzen die Räume nicht materiell, sondern bringen sie in ihrer bestehenden bzw. in minimal reduzierter Form neu zum Sprechen. Wie bei der in der »Künstlerräume«-Präsentation wieder ins Blickfeld gerückten Arbeit im Rotundenaufgang wird die Wand so poliert, dass diese zu spiegeln vermag. Der Raum gerät in Bewegung, seine (architektonischen) Elemente und das momentane Geschehen projizieren abhängig von der Position des Betrachters immer wieder neue Bilder – ein Effekt, den die Künstlerin als »Ästhetik der Reduktion« begreift.